DODO
Unmerklich verwandelt sich der Duktus des Beschreibens des malerischen
Prozesses
in dessen Deutung, geht die Darstellung in Auslegung über, schön
zu beobachten im
Text der Stephen Friedman Gallery zu den neuen Arbeiten von Cornelius Quabeck.
Der letzte Satz sei zitiert: Rising out of the paintings‘ colourful midst,
the portrait of this emblematic bird interrupts the figure-ground relationship,
where extinction and reinvention coalesce. Aus der farbenprächtigen Mitte
des Bildes heraus unterbricht das Porträt dieses sinnbildhaften Vogels die Figur-Grund-Beziehung,
dort, wo Auslöschung und Wiedererfindung sich vereinen.
Der zitierte Satz ist dem Begleittext der unmittelbar vorangegangenen Ausstellung in London entnommen.
Der Zufall, wenn er denn einen Willen hat, wollte es, dass der letzte Tag der Londoner Ausstellung zugleich
der Eröffnungstag der Düsseldorfer Ausstellung sein sollte, dass sich an demselben Tag, vielleicht sogar in
derselben Stunde das ereignete, was in dem zitierten Satz Auslöschung und Wiedererfindung genannt wurde.
Das Düsseldorfer Bild hat den Titel DARKBURST, es zeigt, wie inmitten des Kulminationspunktes der
malerischen Konfiguration ein Vogelkopf auftaucht und herauslugt: DODO (das könnte heißen: DA IST ER),
seit Jahrhunderten ausgestorben, der ein wenig an einen Albatros erinnert, der größte existierende,
im Flug elegante, am Boden ungelenke Seevogel. DODO blickt etwas merkwürdig, von der malerischen Verve
wie zerrupft aus dem Bild heraus; er befindet sich an jenem Ort, an dem der Prozess der Malerei zum
Sinnbild kosmischer Energien wird und in einen Zustand explosiver Daseinsbehauptung eingetreten ist.
Die in DARKBURST, und noch üppiger, voluminöser und dramatischer in SUNBURST wie im Rausch vorangetriebene
Auflösung jeder Dinghaftigkeit weist auf astrophysikalische Prozesse der Auslöschung und (Wieder-) Entstehung
von Galaxien und Sternen aus unvorstellbaren Dichte- und Hitzegraden, ebensolchen unvorstellbaren Massen und
Größenordnungen hin. Und im Zentrum des ungeheuerlichen Prozesses der Destruktion und Restitution das Motiv
des Vogels, der uns so komisch anschaut - d.h. in Wirklichkeit schaut uns gar nichts an, wir sind es, die
schauen, wie auf eine phantasmagorische Landschaft, eine der vielen tausend Aufnahmen des Hubble Space Telescopes,
auf eine Darstellung längst vergangener („ausgestorbener“) und potentiell zukünftiger kosmischer Eruptionen.
Wir schauen darauf wie auf ein Schauspiel und sind doch völlig involviert, durch das Auge, das auf uns gerichtet
ist - ein altes Verfahren, um mit dem wechselseitigen Blick den Geist des Betrachters zu aktivieren und zu engagieren:
Du bist gemeint - wir schauen auf einen Modus unserer Existenz: Ich aus Sternenstaub, aus Demselben, in Dasselbe.
Das Geschehen des Bildes, das coalesce, wiederholt sich auf eine andere Weise über den imaginären Blickkontakt zwischen
DODO und dem Betrachter in der Art einer Verschmelzung, oder Identifikation, die wir zulassen oder zurückweisen können.
Karl Hans Müller
März 2010
Cornelius Quabeck (*1974) hat an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Immendorff und dann bei Albert Oehlen und am Chelsea College
of Art and Design, London studiert.